Montag, 5. September 2011

Der bedrohliche Weltcomputer

Th. Fischermann, G. Hamann: „Zeitbombe Internet“, Gütersloh 2011

Ich lese ja gern die zeitgenössischen Gruselschocker des Amerikaners Michael Crichton, in denen unter anderem Weltraumviren, Japaner, Chinesen, Dinosaurier oder Nanopartikel die Rolle der Bösewichter übernehmen, die früher den Untoten und Geistesgestörten vorbehalten war. Crichton war meines Wissens einer der Ersten, die wirklich gute Wissenschaftsthriller geschrieben haben, wenn auch die Wissenschaftler des jeweiligen Fachgebiets zuweilen mit den Augen rollten.

„Zeitbombe Internet“ ist im Gegensatz dazu ein Sachbuch und ein aufwendig recherchiertes natürlich. Dennoch hat mich die Dramaturgie sofort an einen Thriller Marke Crichton erinnert: Lokale Bedrohung, weltweit Megabedrohung, alles ist noch schlimmer als man dachte! Dann tritt der Held auf. In diesem Falle wird er durch die beiden Autoren vertreten, die eifrig auf der Suche um nach einer Lösung um die Welt jetten. Und am Schluss, wo sonst der Held die Liebste in die Arme schließt, findet sich hier ein Kapitel mit Thesen zum Bau eines idealen Internets.

Das Ganze liest sich kurzweilig wie ein Krimi mit saftigen Details wie überwachte Mädchenschlafsäle, geräumte Konten, zu halben Cyborgs verkommene Handynutzer. Dabei scheint das Buch nicht unbedingt für Menschen geschrieben zu sein, die sich für die Materie besonders interessieren, ich zum Beispiel habe nicht so wahnsinnig viel Neues gelernt. Sptestens als das Arpanet wieder erklärt wurde, sah ich als Zielgruppe Menschen vor mir, die Unterschriften gegen Handymasten sammeln. Die lassen sich vielleicht auch davon beeindrucken, dass Computer zu oft „Supercomputer“ genannt werden, was mich an eine Show mit Heidi Klum erinnert.

Wer das für eine nichtssagende und das Thema verfehlende Rezension hält, der muss wissen, dass ich einfach nur neidisch bin auf das Spesenkonto der Autoren. Mal sind sie auf einem Hochplateau am Columbia River (wo immer das sein mag), mal fahren sie in der Morgendämmerung die achtspurige Autobahn nach Seattle entlang oder oder sie lauschen wichtigen Männern in einer Gründerzeitvilla am Ufer des Wannsees. Na gut, da hätte ich wohl hinkommen können, wenn mich jemand eingeladen hätte.


PS: Das Buch hat natürlich seine eigene Website, welches Produkt hat die nicht?

Dienstag, 5. Juli 2011

Von Automaten entthront

Ich habe ja von Menschen, die es gut mit mir meinen, zu Weihnachten eine Espressomaschine geschenkt bekommen, obwohl ich nicht darum geben hatte. Es ist eine von diesen Maschinen, die nur mit kleinen Aluminiumkapseln funktionieren, in denen der Kaffee drin ist. Jede dieser Kapseln kostet so viel wie ein Kleinwagen, nimmt aber weniger Platz weg. Weil die kleinen Dinger so kostspielig sind, haben die Menschen, die es gut mit mir meinen, ein Häuflein davon dem Geschenk beigelegt.

Erfahrene Kenner von Schicksalsschlägen wissen, was jetzt kommt. Das Häuflein Alukapseln hat lange gereicht, genau bis gestern. Und ich habe noch eine Menge Kaffee im Schrank aus der Zeit vor Weihnachten. Von diesem Kaffee habe ich mir jetzt eine Kanne gebrüht. Oh Gott, was für ein widerliches Zeug. Der Kaffee ist total dünn und schmeckt leicht verbrannt, vom akuten Crema-Mangel gar nicht zu sprechen. Unmöglich, dass ich sowas jemals gemocht haben soll. Aber so war es.

Denn das war, bevor der Automat ins Haus kam. Dieser blöde Automat, den ein paar Kaffeekenner so gebaut haben, dass er genau die richtige Menge Wasser in genau der richtigen Temperatur mit dem richtigen Druck durch den Kaffee jagt, damit es schmeckt. Das konnte ich mein Leben lang nicht so gut wie dieser Automat, und jetzt habe ich es ziemlich verlernt. Der Automat, das teuflische Ding, verlernt nie etwas. Hass!

Sollte es uns nicht wütend machen, dass immer mehr Maschinen so viele Dinge besser können als wir? Dass wir soviele kleine neunmalkluge Roboter in unser Leben gelassen haben? Ich kenne eine Frau, die findet ohne Ihr Navi kaum den Weg zum Kindergarten ihrer Tochter. Denn das kommt noch dazu. Je schlauer die Maschinen werden, umso dümmer machen sie uns. Also ziehe ich die Konsequemz und trinke diesen verbrannt schmeckenden Kaffee, um gegen den Verlust meiner Autonomie zu kämpfen. Ich komme mir wie ein Maschinenstürmer vor.

Männer, ich warne Euch! Heute denkt Ihr vielleicht noch, Euch geht das alles nichts an. Was aber, wenn ein Automat auf der Terrasse erscheint, sich die Schürze umbindet und jedes Steak perfekt grillt, jedes einzelne Steak? Dann seht ihr aber alt aus!

Montag, 6. Juni 2011

Das Wetter: Ein Dinosaurier in der Verbraucherarbeit


Die ganze Welt wird moderner, jeder twittert und jede Klopapierrolle hat ihre eigene Facebookseite. EinTrend, dem ich von ganzem Herzen begrüße. So kann ich mich endlich in Ruhe darüber informieren, was meine Freunde so treiben, ohne sie anrufen zu müssen oder - noch schlimmer - in vollen Restaurants bei schlechtem Wein anzuhören, welche Großtaten die Freundes-Kinder so zustande bringen (Bäuerchen, Schultheater-Aufführung, Juraexamen). Ich kann einfach zu Hause in älterer aber bequemer Kleidung vor dem Rechner sitzen und durch mein kleines Fensterchen die Welt beobachten. Und ich kann viele, viele Freunde haben, darunter Leute, die mich um nichts in der Welt persönlich treffen wollen, aber hey, das hier ist online, das ist modern, da wollen wir mal nicht so sein.

Wenn bloss alle mitmachen würden! Je moderner, kundenfreundlicher und crowdgesourceter die Welt wird, umso schmerzhafter stehen alte Institutionen hervor, die überhaupt nicht daran denken, ihre Macht mit dem Verbraucher oder mit der Community zu teilen. An erster Stelle nenne ich hier das Wetter. Das Wetter ist ein totaler Dinosaurier, es macht, was es will. Vergleich höchstens mit der deutschen Bahn oder der katholischen Kirche. Heute zum Beispiel ist Gewitter angesagt. Damit geht es schon los. Das Wetter fragt der Verbraucher erst gar nicht, ob er Gewitter wünscht, ob es ein Bedürfnis nach Gewitter gibt und ob der Verbraucher vielleicht bereit sein könnte, für ein naturbelassenes Bio-Gewitter an der Ladenkasse etwas mehr zu bezahlen.

Nein, das Wetter kündigt seine Pläne einfach in dürren Pressemitteilungen an. Selbst die Wetterberichte kommen von Third Party Anbietern. Wenn ein Wetter angekündigt ist, hat der Verbraucher zwei Möglichkeiten. Entweder er erklärt sich einverstanden oder er verlässt die Gegend, mit deren Wetter er nicht einverstanden ist. Dieser Mangel an Kundenorientierung hat Konzerne wie Karstadt und Microsoft an den Rad des Abgrunds getrieben.

Was abend noch schlimmer ist: Das Wetter hält sich selten an die eigenen Vorhersagen. Ein Unwetter kommt einfach nicht, ein Regen fällt wegen technischer Probleme komplett aus und gelöste Eintrittskarten behalten ihre Gültigkeit nicht bis zum nächsten Regen. Hey Wetter, so geht das nicht! Wetter, wir müssen reden! Es wird Zeit, dass Du Dich vernetzt und einen Blog betreibst. Und dann ist eine PR Strategie vonnöten, in der es darum geht, sich mit Verbraucherwünschen auseinanderzusetzen, die der eigenen Strategie widersprechen. Denn glaube mir, ich bin nicht allein. Wir sind viele. Und wir haben die Macht. Wenn der Verbraucher seine Stärke erkennt, wird auch das Wetter nicht mehr so weitermachen können wie bisher!

Dienstag, 1. März 2011

Grenzdebile Liegende

Wenn man auf Twitter so eine ausgesuchte Timeline hat wie ich, ist man immer wieder ergriffen, wie klug manche Menschen sind und wie gut sie sich auszudrücken vermögen. Da braucht es einen starken Antrieb, sich in diesem Chor zu Wort zu melden. Zumal das Thema nicht weltbewegend ist (oder scheint, keiner weiß genau, was nun die Welt eigentlich bewegt.)

Doch letztendlich ist die Wut stärker. In diesem Fall die Wut auf eine bestimmte Art von Werbung, die offensichtlich von Autopiloten gestaltet wird und immer dann, wenn es um Internet, Webshop, SocialMedia geht, zur bildlichen Untermalung ihres Anliegens eine grenzdebil grinsende Tusse zeigt, die einen Laptop liegend bedient.

Das ist überhaupt nicht frauenverachtend gemeint. Ich mag Frauen, besonders mag ich Frauen, die mir erzählen, wie sie mit iPad auf der Couch herumlungern oder so ähnlich. Aber warum müssen sie in leeren Wohnung, auf Küchenfußböden, am Strand oder sonstwo auf dem Bauch liegend ihre Transaktionen tätigen? Und warum konzentrieren sie sich nicht auf denWebshop (ein falscher Click und die Kreditkarte wird belastet!), sondern grinsen in Richtung Kamera?

Das Fass zum Überlaufen brachte vor ein paar Wochen ein Versandkaufhaus, das eine auf einem Rasen liegende Dame zeigt, die sich per Laptop einen Laptop bestellt. Auf dem Rasen? Im Gras? Wo es feucht und sandig ist? Gehts noch? Oder sehe ich das zu eng?

Wie gesagt, nicht weltbewegend, aber mich hat es bewegt. Und dazu ist Bloggen doch da, dass man sowas nicht mehr seinem Friseur erzählen muss.

Dienstag, 25. Januar 2011

Ich habe eine Taschenlampe gekauft.

Nix Besonderes, kein Laserpointer oder so. Eine Taschenlampe eben. Hat 5 Euro gekostet.

Die Bedienungsanleitung ist 4 Seiten lang. Besonders aufregend fand ich folgende Passage bei den Sicherheitshinweisen:

"Dieses Gerät ist nicht dafür bestimmt, durch Personen (einschließlich Kinder) mit eingeschränkten physischen, sensorischen oder geistigen Fähigkeiten oder mangels Erfahrung und/oder mangels Wissen benutzt zu werden, es sei denn, sie werden durch eine für ihre Sicherheit zuständige Person beaufsichtigt oder erhielten von ihr Abweisungen, wie das Gerät zu benutzen ist."

Jetzt habe ich Probleme. Erstens weiß ich nicht, ob meine geistigen Fähigkeiten zum Betrieb einer Taschenlampe ausreichen. Und zweitens: Wo bekomme ich jetzt die nötige Erfahrung her, ohne die ich die Taschenlampe nicht benutzen darf? Gibts dafür Kurse? An der vhs?

Freitag, 6. August 2010

Selling England by the Pound

Für Leute, die schon ein bisschen länger englische Titel in Deutschland kaufen, ein Oho-Erlebnis. Links der englische Titel kostet 7.99 GBP, der Importeur will 7,95 EUR dafür. Das ist schon die erste Sensation. In den Vor-Amazon-Zeiten kosteten solche Bücher gern mal das Dreifache ihres Wertes, ich sage hier nur mal "Petersen" für diejenigen, die mit mir gelitten haben.

Zweite, nicht ganz so angenehme Überraschung: Der übersetzte Titel, der vom deutschen Verlag in Deutschland auf den Markt gebracht wird, ist einen Euro teurer als der Import. Das verstehe, wer will. Das ist nicht mehr die Welt, die ich kenne. Langsam komme ich mir alt vor.

Aber ganz abgesehen von allen Preisen: Poppy Shakespeare von Clare Allan ist ein tolles Buch. Die englische Ausgabe ist nur denjenigen zu empfehlen, die den Cockney-Fortgeschrittenen-Kurs mit Prädikat bestanden haben und über Grundkenntnisse in britischem Psychatrieslang verfügen. Deshalb lese ich es kapitelweise d + e.