Sonntag, 4. Oktober 2009

Übers Twittern reden

Vor ein paar Tagen habe ich mit zwei netten Menschen bei Kaffee und Keksen zusammengesessen. Kennengelernt haben wir uns über Twitter. Also haben wir über das Twittern gesprochen, über das Suchtpotenzial und unsere Beobachtungen. Für mich Neuling war es das erste Mal, dass ich Erfahrungen tauschte.
Dieser Text erzählt von ein paar Erkenntnissen, die ich dabei und danach hatte.

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Übers Twittern reden hat großes Suchtpotenzial. Das Medium ist so neu und rätselhaft, dass man die tollsten Theorien entwickeln kann, was bei Twitter funktioniert und was nicht. Dazu kommt, dass der Zufall bei Twitter ebenso wichtig ist wie Intelligenz und die klassische journalistische Tugend, gut schreiben zu können und schnell auf dem Punkt zu kommen.

Ich kannte mal jemanden, der ein System erdachte, mit dem man das Roulette austricksen konnte. Die Twitter-Diskussionen haben mich sehr an die begeisterten Gespräche mit diesem Menschen erinnert.

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Twitter ist ein Lummerland, eine kleine Welt mit eigenen Fürsten. Wenn man eine Weile im Twitterland unterwegs ist, trifft man immer die gleichen Namen. Das sind die Twitter-Promis und man kommt gar nicht umhin, ein paar von ihnen zu folgen. Was dabei gern vergessen wird: Die meisten Promis folgen Dir nicht, auch wenn Du ihnen folgst. Der Weg zur Anerkennung ist also lang und steinig. Es geht letztendlich darum, Leute von Dir zu überzeugen, die Deine Tweets nicht lesen.

Zweiter Punkt: Die Leute, die Deine Tweets lesen, kennst Du zum großen Teil nicht. Sie haben zum Teil vielleicht andere Ansichten und Bedürfnisse als die Leute, denen Du folgst. Es könnte deshalb ein Fehler sein, so zu schreiben, dass die Twitter-Promis Dich gut finden.

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Twitter eignet sich hervorragend, um Strategien zu entwickeln und zu diskutieren. In unserer Diskussion haben wir das ausgiebig getan. Wer uns zuhörte, hätte auf die Idee kommen können, Clausewitz und Kollegen wollten einen großen Teil Europas erobern.

Und doch funktionieren auch die ausgefeiltesten Strategien nie garantiert. Das Zufallselement, ich hatte es schon erwähnt. Aufeinander abgestimmte Tweet-Kaskaden können voll ins Leere laufen, wenn das Publikum gerade mit gemeinsamen Ekel-Bekundungen über Briefmarkenlecker beschäftigt ist. Und alles, was auch nur ein bisschen langfristig ist, kann gar nicht von allen verstanden werdeen, weil viele nur sporadisch dabei sind.

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Wenn man nicht gerade von Berufs wegen Straßenmusikant ist, hat man selten ein Publikum, das so leicht kommt und geht wie beim Twittern. Wer ein Buch kauft, geht eine Bindung zu Buch und Autor ein. Er hat immmerhin einen teuer verdienten Geldschein über die Ladetheke geschoben, um das Buch zu bekommen. Also wird er auch weiterlesen, wenn ihm zwei Seiten des Buches nicht gefallen.

Genauso ist es, wenn man eine Kinokarte kauft oder in die Oper geht. Anders beim Twitter. Man klickt und folgt und ebenso schnell und mühelos kann man seine Folgschaft beenden. Es kostet nichts und anonym ist es obendrein.

Wenn man hier schnell Erfolg haben will, kann man eigentlich kaum etwas anderes tun als den Massengeschmack bedienen und keine Widerhaken bieten. Man darf einfach niemandem einen Grund geben, wegzuklicken. Das mag für manche erstrebenswert sein, für mich ist es das nicht. Ich will nicht der Mario Barth von Twitter werden. Kann ich auch nicht, der Platz ist schon besetzt.

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Soweit für heute. Ich hätte noch einiges mehr im Kopf, doch das muss warten.

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